Familie und Freunde von Ungarns Ministerpräsident Orban kennen alle Tricks, um sich an europäischen Steuergeldern zu bereichern. Wie groß ihr Vermögen ist, zeigt ein früheres Anwesen der Habsburger Monarchie, das Orbans Vater umbaut.
13 Hektar Land umgeben das frühere Anwesen Hatvanpuszta des Erzherzogs Joseph von Österreich, das westlich von Budapest liegt. 1840 erbaut, diente es der Habsburger Monarchie einst als Mustergut für die Entwicklung der Landwirtschaft. In den vergangenen Jahren wurde es in ungarischen Medien zum Sinnbild für den Reichtum des Familien- und Freundeskreises um Ministerpräsident Viktor Orban. Das Grundstück wurde demnach 2010 von Orbans Vater Gyözö gekauft und bis 2020 von Orbans Kindheitsfreund Lőrinc Mészáros gemietet.
Ákos Hadházy flog mehrmals über das Landgut, um auf Videos festzuhalten, wie Orbans Vater das Anwesen umbaut. Hadházy war bis 2013 Abgeordneter von Orbans Regierungspartei Fidesz. Inzwischen sitzt er als parteiloser Oppositionspolitiker im ungarischen Parlament, wo er Korruptionsskandale aufdeckt. "Obwohl Orbans Kindheitsfreund seinem Vater jedes Jahr 15,5 Millionen Forint (ca. 40.000 Euro, Anm. der Redaktion) für das Anwesen überwiesen hat, ist dort zehn Jahre lang nicht viel passiert", sagt Hadházy im Gespräch mit ntv.de. Der Umbau Hatvanpusztas zu einem luxuriösen Villenkomplex, der inzwischen fast abgeschlossen sei, habe erst 2020 begonnen. Hadházy hegt den Verdacht, dass "Mészáros somit Orbans Vater das Gehalt gezahlt hat".
Die beiden unterhielten bereits seit Langem geschäftliche Beziehungen zueinander, betont Hadházy. Gyözö Orban besitzt Steinbrüche in Ungarn. Mészáros ist unter anderem im Baugewerbe tätig. "Mészáros werden in Ungarn öffentliche Bauaufträge zugeschustert, die Steine dafür kauft er für sehr viel Geld von Orbans Vater", so Hadházy.
Orbans Kindheitsfreund profitierte "massiv von EU-Geldern"
Mészáros war einst Kleinunternehmer und Gasinstallateur, inzwischen hat er ein Geschäftsimperium aufgebaut, mit dem er es laut dem US-Wirtschaftsmagazin "Forbes" zu einem Vermögen von 1,3 Milliarden Euro gebracht hat. Er ist der reichste Mann Ungarns. Als Mészáros in einem Interview mit der ungarische Wochenzeitung Heti Válasz gefragt wurde, was das Geheimnis seines Erfolgs sei, antwortete er, "Gott, Glück und Viktor Orbán in Person" hätten dazu beigetragen.
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Tatsächlich hat Orbans Regierung Mészáros' Glück auf die Sprünge geholfen. "Die Baufirmen von Mészáros, auf die öffentliche Aufträge zugeschnitten wurden, profitierten massiv von EU-Geldern beim Gebäude-, Straßen- und Eisenbahnbau", sagt Miklós Ligeti, juristischer Vorstandsvorsitzender von Transparency International Ungarn, im Gespräch mit ntv.de. Zwar seien nicht alle Vorhaben durch EU-Mittel mitfinanziert worden, dennoch spielten diese Subventionen und damit auch "deutsche Steuergelder eine sehr wichtige Rolle" bei Mészáros' Profiten, fügt er hinzu.
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Dem Europäischen Parlament ist bewusst, dass Fördergelder weiterhin in korrupten Kanälen versickern. "Wir wissen von den Tricksereien im Agrarbereich, wo staatliche Flächen den engen Vertrauten Orbans zugeschanzt wurden, die dann Subventionen bekommen", sagt der grüne EU-Abgeordnete Daniel Freund im Gespräch mit ntv.de. Die Kommission nehme nun unter anderem die Ausschreibungspraktiken der ungarischen Regierung ins Visier. Sie kritisiere, dass bei öffentlichen Aufträgen in Ungarn besonders oft nur ein Angebot abgegeben werde. Deshalb habe sie Budapest aufgefordert, die Missstände zu beheben. Nun erhöhe sich zwar die Zahl der Fälle, in denen zwei Angebote auf dem Tisch landeten. Es handle sich jedoch um "Fake-Angebote", sagt Freund, "denn das eine kommt dann zum Beispiel von Orbans Schwiegersohn, das andere von seinem Kindheitsfreund."
Nach Angaben des Schwarzbuchs von Transparency International trickst die ungarische Regierung auch bei dem Budget öffentlicher Ausschreibungen, da sie oft mehr Geld veranschlagt, als sie tatsächlich braucht. Zudem werden in vielen Bereichen intransparente Organisationen gegründet, die sich öffentlicher Auskunftspflichten verweigern, um Oligarchen Steuergelder zukommen zu lassen. Diese Oligarchen wiederum müssen kaum mit Strafen rechnen, da Orban auf seinem Feldzug gegen den Rechtsstaat die Richter und Staatsanwälte im Land unter seine Kontrolle gebracht hat. Auch die Polizei stellt in diesen Fällen die Ermittlungen meist ein.
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Orbans Schwiegersohn trickste bei Subventionen für Straßenlaternen
Ein Beispiel für diesen Betrug ist der Korruptionsskandal um das Unternehmen Elios, das Orbans Schwiegersohn István Tiborcz gehörte. Bekannt wurde er durch einen Bericht der EU-Antikorruptionsbehörde OLAF, der auf dem ungarischen Nachrichtenportal "24.hu" geleakt wurde. Das Unternehmen stattete zwischen 2009 und 2014 Dutzende Gemeinden mit Lampen für die Straßenbeleuchtung aus, wobei OLAF ihm vorwarf, öffentliche Aufträge manipuliert zu haben. Der überwiegende Teil der Projekte wurde mit EU-Mitteln finanziert.
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"Orbans Räuberbande" kauft ganze Industriezweige auf
Die Tricksereien bei öffentlichen Ausschreibungen seien jedoch nur die erste Phase gewesen, um in Ungarn eine korrupte Oligarchie aufzubauen, so Freund. "Mit dem Geld, das Orbans Räuberbande auf diese Weise geklaut hat, kauft sie nun einen Industriezweig nach dem anderen auf", sagt er. Ausländische Unternehmen werfen der ungarischen Regierung seit geraumer Zeit vor, sie mit korrupten Methoden aus dem Markt drängen zu wollen, auch deutsche Firmen sind von den Schikanen betroffen. Es gebe eine Art "Drehbuch", an das sich Orbans Regierung halte, um Druck auszuüben, heißt es im Ost-Ausschuss der Deutschen Wirtschaft im Gespräch mit ntv.de.
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"Täuschen, tricksen, tarnen gehört zum Repertoire der Regierung"
Diese Praktiken verurteilt der Haushaltsausschuss der Europäischen Parlaments in einem vor Kurzem erschienenen Bericht, in dem er seine Eindrücke während eines Besuchs in Ungarn im Mai dieses Jahres festhält. Wirtschaftsakteure in Sektoren, die den Oligarchen zugeschanzt werden sollen, würden durch willkürliche, auf sie zugeschnittene Gesetze aus dem Markt gedrängt, heißt es darin. Etliche Unternehmer hätten sogar über offene Einschüchterung geklagt. All dies verstoße gegen die Regeln des EU-Binnenmarktes.
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Ich habe nichts anderes erwartet und bin trotzdem enttäuscht