Ahoi,
ich habe jetzt seit Beginn meiner beruflichen sog. "Karriere" nicht nur noch nie in einer Firma gearbeitet, die nach Tarif bezahlt hätte, sondern auch noch nie in einer, die groß genug gewesen wäre, dass sich Betriebsräte oder Ähnliches überhaupt gelohnt hätten. (Bei zwölf Mitarbeitern wäre das weitgehend witzlos.)
Ich gehe derzeit davon aus, dass sich beides im kommenden Jahr ändern wird. Damit wird erstmals die Frage für mich relevant, ob ich mich in einer Gewerkschaft anmelden sollte. (Ich weiß, Gewerkschaften sind nicht nur für Egoisten da, aber Gewerkschaft ohne Anwendbarkeit auf das eigene Berufsleben ist ja ungefähr so sinnvoll wie ADAC ohne Führerschein. Und ähnlich unnötig teuer.)
Nun arbeite ich als EDVler in einer Branche, in der "Home Office" (rechtlich genauer: mobiles Arbeiten, d.h. mit dem Laptop auf dem Klo, im Zug und/oder am Tresen) eher Usus als Ausnahme ist. Da stellen sich mir zwei Fragen:
- Ist unter den gegebenen Bedingungen das Engagement in einer Gewerkschaft überhaupt sinnvoll? Weil: die Gegebenheiten beim mobilen Arbeiten bestimmt man ja in sehr großzügigem Rahmen komplett selbst.
- Weil - aus demselben Grund - Firmensitz und "Büro" ja nicht mal im selben Bundesland sein müssen: Sollte man am Wohn- oder am Arbeitsort Mitglied werden? Ich nehme an: Letzteres?
Ich danke schon mal für sämtliche Antworten.
(Dieser Account existiert für diese Frage. Grund: Geht künftige Arbeitgeber erst mal nix an, was ich gewerkschaftlich wissen will. :-))
Da bist du einem gewaltigen Missverständnis aufgesessen:
Die Gegebenheiten beim mobilen Arbeiten bestimmt zuerst dein Arbeitgeber. Der hat bei den initialen Vertragsverhandlungen erstmal die Hose an. Der kann dich ersetzen. Und genau daher lohnt sich auch ein Betriebsrat: Denn der hat ein Mitspracherecht bei bestimmten Sachen, wie etwa der Überwachung von Mitarbeitern im Homeoffice. Schau dir an, wie viel Energie und Geld die schlimmsten Arbeitgeber von Musk über Flink zu Bezos in die Verhinderung von Betriebsratgründungen stecken, dann weißt du sofort, dass das für Arbeitnehmer positiv ist.
Ansonsten kannst du Gewerkschaften auch als "Versicherung" für arbeitsrechtliche Fälle sehen. Die meisten kommen ja gewissermaßen mit einer Rechtsschutzversicherung für arbeitsrechtliche Themen.
Das ist ein Punkt, den ich überhaupt nicht auf dem Schirm hatte. Also quasi eine Art Schutz vor "betriebsbedingter" Kündigung?
"Schutz vor" ist vllt. der falsche Begriff. Meine Frau hatte zu Beginn von Corona den Fall, dass der Arbeitgeber angefangen hat zu mobben und dann hat sie irgendwann echt panische Angst vor der Arbeit entwickelt. War dann deswegen krankgeschrieben und es war auch klar, dass das so dort nicht weitergehen kann. Eigenkündigung wäre aber wegen Kündigungsfristen, Sperrzeiten etc. nur schwer möglich gewesen. Die Gewerkschaft hat dann die Verhandlungen übernommen, kannte die Firma auch schon zu gut und hat dann noch eine saftige fünfstellige Abfindung verhandelt und das so gedreht, dass es keine Sperrfrist gab.
(und ich bin in einem tarifgebundenen Betrieb und mir selbst sehr sicher, dass ich in diesen wirtschaftlich chaotischen Jahren diese inflationsausgleichenden Gehaltserhöhungen direkt bei meinem Chef nie persönlich hätte aushandeln können)
Das klingt immer noch hilfreich. Danke. :-)