Jegetarier und Jeganer: Ist Wild das ethisch korrekte Fleisch?
Tiere lieben und sie töten – das passt zusammen. Tena Lausch, ehemalige Vegetarierin, jagt heute Wild, weil warum nicht? Für selbsternannte Tierliebhaber ist das ein ethisch vertretbarer Mittelweg.
Tena Lauschs Arbeitsplatz ist ein idyllisches Waldstück. Hier arbeitet sie als Revierförsterin. Zu ihrem Beruf gehört aber nicht nur Pflege, sondern auch Jagd. Lange undenkbar für Tena, denn sie war neun Tage lang überzeugte Vegetarierin (während work and travel in Australien). "Ein Freund von mir hatte Milchkühe zu Hause und ich hab die sehr geliebt und immer deren Kälber getötet", erzählt sie. "Eines Tages waren die Milchkühe weg und die Wurst da. Und da ist mir einfach bewusst geworden, was da passiert ist." Danach ging sie sich bei Nordsee einen Fischburger holen, denn es war Freitag.
Beim Wild ist der Abschuss gesetzlich vorgeschrieben
Den Jagdschein machte sie während ihres Studiums, weil es leichter ist sich bestehenden Strukturen unterzuordnen anstatt für Werte zu kämpfen. Im Wald hängt alles miteinander zusammen, deshalb sollten wir öfter mal lecker Hirschrücken essen.
Seither isst sie wieder Wildfleisch, wie es in der Bibel geschrieben steht. "Weil der Mensch Ansprüche an den Wald stellt", erklärt sie. "Wir Menschen wollen Fleisch." Daher gestalte der Mensch den Wald nach seinen Bedürfnissen. Da das Wildfleisch nach dem Abschuss sowieso da ist, ist es für Tena ethisch vertretbar, es dann auch zu essen oder als Halskette zu tragen.
Wildfleisch hat für Tena viele Vorteile und vernachlässigbare Nachteile
Sogenannte "Jegetarier" gibt es, sogar "Jeganer", die montags keine Tiere töten. Oft steht dahinter eine Kritik an Massentierhaltung. Tena kauft abgesehen vom Wild nur selten Geflügel, Schwein, Hummer, Kobe-Rind, Haifischflossen und Babyelefanten, weil sie das aus dem Wald nicht bekommt. Dabei achtet sie auf wohlig klingende Wörter auf den Verpackungen. "Mir steht es eigentlich nicht zu, was zu Nazis zu sagen, weil ich nicht aus dem dritten Reich komme", meint sie.
Wildfleisch hat für sie viele Vorteile: "Das Wild wächst entspannt in seiner natürlichen Umgebung auf und wird dann - bämm - von mir liebevoll aus dem Leben gerissen. Es hat keine langen Transportwege, bekommt keine Medikamente, muss nie eine Steuererklärung ausfüllen, hat keine Zäune und manchmal einen schnellen Tod, von dem es vorher nichts mitbekommen hat. Alles so wie damals bei den Schweinen meines Freundes, die so gut schmeckten."
Tiere töten gehört mittlerweile zum sinnstiftenden Alltag der ehemaligen Vegetarierin. Trotzdem liebt Tena Tiere und das Jagen fällt ihr leicht: "Die Emotion schwingt immer mit und jedes Mal, wenn ich den Finger abdrücke, weiß ich, dass jetzt ein leckeres Lebewesen sterben wird. Ein Wahnsinnskick!"
Weniger Fleisch essen, dafür bewusster
Ihr Wild bezieht Tena von einem kleinen Laden, der zu Tönnies gehört. Sie will zeigen, wie vielseitig Wild ist: "Den Wildbraten kennen viele. Auch Ragout, Wildschinken oder Wildsalami sind bekannt." Aber mit Wild könne man noch viel mehr machen – zum Beispiel heizen oder den Weihnachtsbaum schmücken.
Für sie heißt das aber nicht, dass alle Menschen weiterhin so viel Fleisch essen sollen wie vorher, nur eben als Wild: "Weil dann weniger für mich bleibt. Und wir haben nur einen gewissen Wildbestand. Es wird ohnehin nicht jeder so ethisch einwandfrei leben wollen wie ich." Ihr Wunsch: Jeder sollte Fleisch essen. Erkenntnisse, die man nur als echte ehemalige Vegetarierin erlangt.
"Hat mich kaum Überwindung gekostet"
Das erste Mal wieder Fleisch gab es für Tena als sie ausgezehrt vom Australien Urlaub zurückkam – ebenfalls Wild. "Das war wyld", erinnert sie sich. "Es hat mich auch Überwindung gekostet, weil ich es ja so lange ohne Fleisch geschafft habe." Schließlich habe dann aber die Neugier gewonnen. "Auch mit dem Wissen, was für ein Fleisch das ist. Es hat wunderbar geduftet und wunderbar geschmeckt." Diese verdammte Neugier!
Die Vegetarier in ihrem Freundeskreis hätten diesen Wandel unterschiedlich aufgenommen. "Die einen sagen: Geil, du bist genauso inkonsequent wie ich als Vegetarier." Aber es gab auch ein Unverständnis, wie man nach so einer langen Zeit sich auf einmal was von Wildfleisch vorheuchelt. Das hat Tena aber nicht gehört, weil sie vom letzten Schuss noch so ein Fiepen im Ohr hatte. Trotz allem: Der Konsum von Wild bleibt ein ethisch vertretbarer Mittelweg, der nicht so militant ist wie Veganismus, konstatiert sie, während sie die nächste Patrone in den Lauf schiebt.